Manche Menschen arbeiten nicht, um sich zu verwirklichen. Sie arbeiten, um zu überleben – emotional. Was auf LinkedIn wie Ambition aussieht, ist oft nur ein verzweifelter Versuch, sich in einer Welt zu behaupten, die zu früh kalt war. Der Applaus wird zur Decke über dem Abgrund. Erfolg zur Betäubung. Und doch bleibt ein Gefühl zurück, das viele kennen, aber kaum jemand benennt: innere Leere trotz äußerem Ankommen.
Diese Leere hat nicht mit Undank zu tun. Sie ist ein Echo.
Leistung als Überlebensstrategie?
Wer als Kind keine bedingungslose Zuwendung bekam, fängt oft an, sich Liebe zu verdienen. Mit guten Noten. Mit Angepasstheit. Mit dem stillen Wunsch, gesehen zu werden – wenn schon nicht als Mensch, dann wenigstens als Macher. Für viele aus instabilen Familien ist Leistung keine Option, sondern Pflicht. Ein Schutz. Eine Rolle.
Was von außen wie Zielstrebigkeit aussieht, ist innen oft bloß ein einziger Satz: Wenn ich gut bin, lassen sie mich in Ruhe. Oder noch schlimmer: Wenn ich gut genug bin, lieben sie mich vielleicht.
Das falsche Versprechen von Anerkennung
Anerkennung ist nicht dasselbe wie Zuwendung. Das wissen viele theoretisch – aber emotional bleibt es verwirrend. Man wird gelobt, befördert, bewundert. Und fragt sich: Warum reicht es trotzdem nicht?
Weil niemand merkt, dass der Applaus keine Nähe ersetzt. Dass Komplimente nicht halten, wenn man nachts mit Selbstzweifeln wachliegt. Und dass kein Gehalt der Welt ein „Ich bin stolz auf dich“ aufwiegt, das nie kam – oder von der falschen Person kam.
Der Erfolg gibt einem alles. Nur kein Zuhause.
Selbstwert ohne Publikum?
Viele Menschen, die sich über Leistung definieren, haben Angst vor dem Moment, in dem niemand mehr zuschaut. Urlaub ist kein Genuss, sondern Kontrollverlust. Freizeit fühlt sich an wie eine Lücke im Selbstbild. Ohne Ergebnis kein Dasein.
Sie stellen sich nie die Frage: Wer bin ich, wenn ich nichts tue? Weil die Antwort Angst macht. Oder leer bleibt.
Aber Selbstwert, der auf Leistung basiert, ist eine Rechnung, die nie aufgeht. Denn was man sich ständig neu verdienen muss, gehört einem nie wirklich.
Was stattdessen trägt
Es gibt keinen einfachen Ausstieg aus dieser Dynamik. Aber es gibt Hinweise: Die Begegnungen, die keine Performance verlangen. Die Sätze, die nicht optimiert sind. Die Menschen, die nicht wissen wollen, was du tust – sondern wie du schläfst. Oder ob du weinst.
Was wirklich trägt, ist selten sichtbar. Es hat keinen Share-Button. Es passt in keine KPI. Aber es verändert etwas im Inneren: das Gefühl, nicht mehr dauernd etwas beweisen zu müssen. Vielleicht ist das der Anfang von dem, was sich andere „Zuhause“ nennen.
Quelle: MEEON #33
Titel: Trauma: Die Leere nach dem Erfolg – Warum Leistung kein Zuhause ist
Bilder: MEEON