Lichtermeer, Lasershow, Love-Parade-Gefühl – Tomorrowland verkauft die Idee eines paradiesischen Ausnahmezustands. Doch das belgische Festival, das längst zum globalen Pop-Mythos mutiert ist, bringt nicht nur Glitzer und Beats in die Welt. Hinter der Kulisse stehen Millionenumsätze, Müllberge und ein CO₂-Fußabdruck, der mit dem eines Mittelgebirges konkurriert. Während das Publikum jubelt, schauen die Veranstalter auf Bilanzen – und die Behörden auf Plastikstrafen.

#82 – Zusammenfassung Auto-Slide

Millionenspektakel mit Marketinghimmel

Tomorrowland ist kein Festival – es ist ein Franchise. Die Gründer, die Brüder Michiel und Manu Beers, haben eine globale Marke geschaffen, betrieben von der Firma We Are One World. Ob in Brasilien, in den Alpen oder online – das Markenerlebnis wird weltweit ausgerollt wie ein Premiumprodukt.

Im Jahr 2023 machte das Unternehmen 129 Millionen Euro Umsatz, bei einem Gewinn von über 8 Millionen Euro. Klingt gut. Noch besser: 2022 lag der Gewinn sogar bei 18,6 Millionen, weil ein zusätzliches Wochenende aus dem Boden gestampft wurde. Mag sein, dass es dabei auch um Liebe zur Musik ging – vor allem aber ging es um Reichweite, Markenbindung und Rentabilität.

Was dabei gerne untergeht: Festivals wie Tomorrowland sind längst keine Gegenkultur mehr. Sie sind Teil eines globalen Entertainmentkomplexes – mit allem, was dazugehört: Exklusivität, künstlicher Knappheit, Upselling-Systemen und einem ökologischen Preis.

3 Millionen Becher und eine Strafzahlung

Dass dieser Preis nicht nur symbolisch ist, zeigte 2024 ein Verfahren gegen die Veranstalter: über drei Millionen Einwegbecher wurden trotz geltender Umweltvorgaben ausgegeben – was eine Strafe von über 700.000 Euro nach sich zog. Eine theoretisch mögliche Maximalsumme von 2 Millionen Euro stand im Raum. Die Veranstalter reagierten schnell: Ab 2025 soll ein RFID-basiertes Mehrwegbechersystem kommen.

Die Frage bleibt: Wieso erst jetzt? Die gesetzlichen Regeln existieren nicht erst seit gestern – und der Recyclinganspruch von Tomorrowland wird seit Jahren in Hochglanzbroschüren beworben. 80 % Recyclingquote bei Müll klingen gut, lösen aber nicht das Grundproblem: das Event produziert tonnenweise Abfall, Ressourcenverbrauch und CO₂ – und verkauft das als Erlebnis.

Der FUSSABDRUCK eines Festivals – ein Luftschloss?

Eine Analyse beziffert den CO₂-Ausstoß von Tomorrowland auf 149.000 Tonnen – das entspricht dem Jahresverbrauch von fast 10.000 belgischen Haushalten. Der größte Teil dieser Emissionen stammt aus der Anreise, insbesondere durch Flugreisen.

Das bringt uns zur unbequemen Wahrheit: Wer aus Australien oder Mexiko zum Festival fliegt, um „einmal im Leben dabei zu sein“, hinterlässt mehr Spuren als zehn Jahre Pendeln mit dem Auto. Tomorrowland lebt vom globalen Kultstatus – aber zahlt die Rechnung dafür nicht selbst.

Höher, teurer, schöner – aber auch gerechter?

Tomorrowland wird als utopischer Ort inszeniert. Doch in Wahrheit ist es ein exklusives Konsumereignis mit Preisstufen, Zugangskontrollen und VIP-Areas. Der Grundsatz „Everybody is welcome“ gilt nur, wenn man es sich leisten kann. Die Preise für Tickets, Reisen, Merchandise und Unterkunft lassen das Festival zu einem Statussymbol werden – nicht zu einem offenen, kulturellen Ort für alle.

Gleichzeitig feiern sich die Macher für ihre Nachhaltigkeitsinitiativen, als wären RFID-Becher die Weltrettung. Die Strategie ist bekannt: Problem einsehen, Verbesserung verkünden, Schuldgefühle abfedern – und weitermachen. Mit noch mehr Shows, noch mehr Umsatz, noch mehr Plastik.

Fazit: Wenn der Rausch verklungen ist

Tomorrowland ist ein glänzendes Beispiel dafür, wie gut sich Festivals als Lifestyleprodukte vermarkten lassen. Doch wer wirklich glaubt, man könne mit Lichterketten und Upbeat-Elektronik den ökologischen Kollaps übertönen, tanzt auf dünnem Eis.

Die entscheidende Frage ist nicht, ob es schöner wird – sondern wer dafür zahltwer profitiertund wer den Müll wegräumt.

Wie wäre es, wenn Festivals wie Tomorrowland nicht nur Träume verkaufen, sondern Verantwortung für ihre realen Auswirkungen übernehmen? Weniger Bühne, mehr Balance?

Quelle: MEEON #82
Titel: Tomorrowland: Glanz, Gewinn und gewaltige Spuren
Foto: MEEON
Video: MEEON