Warum uns „Alles steht Kopf“ zum Weinen brachte – und „Elio“ nur zuckt. Über ein Studio auf der Suche nach sich selbst.

Pixar war einmal das innovativste Animationsstudio der Welt. Von Toy Story über Oben (Up) bis Alles steht Kopf (Inside Out) schafften die Filmemacher, was nur wenigen gelingt: Kindgerechte Erzählungen, die Erwachsene tief trafen. In einem Kino voller Franchise-Stumpfsinn war Pixar der emotionale Ausreißer – ein Studio mit Seele. Doch mittlerweile stellt sich eine unbequeme Frage: Hat Pixar seinen Zauber verloren?

Der Fall „Elio“: Schön, brav, belanglos?

Der neue Pixar-Film Elio bietet eigentlich alles, was Fans erwarten könnten: eine warmherzige Geschichte über einen Außenseiter, ein fantasievolles Universum und visuelle Brillanz. Und doch bleibt wenig hängen. Die Kritiken sind freundlich, aber verhalten. Metacritic listet den Film bei 66 Punkten – solide, aber nicht berauschend. Vor allem das Publikum wirkt gespalten: Viele loben die Optik, aber kritisieren die Erzählstruktur als beliebig und überfrachtet.

Elio will viel – Sci-Fi, Coming-of-Age, Frieden zwischen Galaxien – doch wirkt dabei überraschend harmlos. Keine emotionale Fallhöhe wie bei Alles steht Kopf. Kein stilles Meisterwerk wie WALL·E. Stattdessen: ein Film, der nett sein will. Und genau das ist das Problem.

Die Magie von früher: Warum „Pixar-Momente“ einst so besonders waren

Was Pixar früher auszeichnete, war das narrative Wagnis. Wer hätte gedacht, dass ein stummer Roboter (WALL·E) oder die fünf Emotionen eines pubertierenden Mädchens (Alles steht Kopf) ganze Kinosäle zum Schluchzen bringen würden? Diese Filme hatten nicht nur Herz, sie hatten Haltung – und Mut.

Pixar erzählte Geschichten über Verlust, Einsamkeit, Tod, Depression. Ohne Angst, dass es „zu viel“ für Kinder sein könnte. Und gerade deshalb berührten sie. Heute scheint diese Kraft verwässert. Filme wie Lightyear oder Onward wirken wie gut gemachte Nebenprojekte – glatt, aber ohne Tiefgang. Pixar hat nicht verlernt, wie man animiert. Aber vielleicht vergessen, warum man erzählt.

Die Rolle von Disney: Marke statt Magie?

Seit dem vollständigen Aufgehen in Disney stellt sich auch eine strategische Frage: Wird Pixar zusehends auf Familienfreundlichkeit getrimmt? Muss jeder Film potenziell eine Freizeitpark-Attraktion werden können? Während frühere Werke sperrig, traurig, manchmal sogar philosophisch waren, sind neue Produktionen oft zu „clean“. Emotional ja, aber nicht riskant.

Der Disney-Effekt ist spürbar. Es geht weniger um das Überraschende, mehr um das Erwartbare. Pixar hat seinen Platz im Streaming-Zirkus – aber dabei vielleicht seine Sonderrolle eingebüßt. Selbst Alles steht Kopf 2 wirkt wie ein Versuch, alte Magie zu recyceln, statt neue Geschichten zu wagen.

Liegt’s an Pixar – oder an uns?

Vielleicht ist aber auch das Publikum nicht mehr dasselbe. Wer mit Findet Nemo aufgewachsen ist, erwartet heute anderes als Kinder in der Zielgruppe. Die emotionale Tiefe früherer Filme trifft nun auf eine Social-Media-Generation, die schneller weiterwischt. Und Erwachsene, die Pixar noch als cineastisches Ereignis erleben wollen, sind enttäuscht, wenn ein Film „nur“ gut aussieht, aber nichts erzählt.

Diese Lücke ist das eigentliche Problem: Pixar steht zwischen den Stühlen. Zwischen Kunst und Kommerz. Zwischen Nostalgie und Zeitgeist.

Was jetzt?

Pixar kann mehr. Soul zeigte das, Coco ebenso. Es braucht keine Rückkehr zur alten Formel – aber eine Rückkehr zum Mut. Geschichten, die weh tun dürfen. Charaktere, die mehr sind als Funko-Pop-Figuren. Und Filme, die mehr wollen als Harmonie. Denn wenn Pixar nur noch nett ist, bleibt nichts, woran man sich erinnert.

Wann hat dich ein Pixar-Film zuletzt wirklich berührt? Schreib’s auf – und sag, ob du die Veränderung spürst. Sind wir anspruchsvoller geworden, oder Pixar bequemer?

Quelle: MEEON #38
Text: Pixar’s Elio – Metascore [66] – Was ist da los?
Bilder: MEEON