Recruiting, Weiterbildung, Kündigungen – Künstliche Intelligenz übernimmt in der Personalwirtschaft immer mehr Aufgaben. Doch was ist erlaubt? Und wer trägt die Verantwortung?

KI in der Personalwirtschaft: Zwischen Effizienz und Überforderung

Ob Bewerbungsanalyse, interne Weiterbildung oder Mitarbeiterbindung – KI-gestützte Tools sollen Prozesse im Personalwesen beschleunigen und präzisieren. Besonders im Trend:

  • Matching-Systeme für Bewerberinnen und Bewerber
  • Chatbots für HR-Anfragen
  • Lernplattformen mit KI-gesteuerten Weiterbildungsmodulen
  • Tools zur Fluktuationsprognose

Klingt nach Fortschritt – ist aber oft Flickwerk. Viele Unternehmen setzen Tools ein, ohne zu prüfen, wie diese Systeme eigentlich funktionieren. Hauptsache, es klingt nach Zukunft.

Was ist erlaubt – und was bald verboten?

Mit der EU-KI-Verordnung, die 2024 beschlossen wurde, kommt 2025 ein neues Regime: Personal-Software zur Bewertung, Auswahl oder Ablehnung von Menschen fällt künftig unter die Hochrisiko-Kategorie. Das heißt:

  • Unternehmen müssen klar offenlegen, wie die KI funktioniert
  • Datensätze müssen diskriminierungsfrei sein
  • Ergebnisse müssen nachvollziehbar und überprüfbar sein
  • Es braucht eine menschliche Kontrollinstanz

Zulässig bleibt der Einsatz von KI zur Unterstützung, z. B. durch Vorschläge, automatische Sortierung oder Matching – solange kein Automatismus über Annahme oder Ablehnung entscheidet.

Welche Tools sind im Einsatz?

In der Praxis setzen viele HR-Abteilungen auf Softwarelösungen wie:

  • HireVue, das Video-Interviews auswertet (Stichwort: Mimik-Analyse – hochumstritten)
  • SAP SuccessFactors, eine All-in-One-Lösung mit Learning-Modulen
  • Workday, das mit KI den Lebenszyklus von Mitarbeitenden abbildet
  • rexx systems, ein deutscher Anbieter mit wachsender KI-Komponente
  • Chatbots auf Basis von GPT-Technologie, etwa für interne Fragen zu Urlaub, Gehalt, Feedbackprozessen

Vor allem im Mittelstand fehlen jedoch oft Fachwissen und Personal, um diese Tools korrekt zu konfigurieren oder auf ethische Fragen hin zu prüfen.

Typische Fehler im Umgang mit KI

Viele Unternehmen tappen in dieselbe Falle:

  1. Blindes Vertrauen in Anbieter – ohne zu hinterfragen, wie die Algorithmen trainiert wurden
  2. Automatisierung ohne Transparenz – „Black Box“-Entscheidungen sind nicht rechtskonform
  3. Voreingenommene Trainingsdaten – KI reproduziert Diskriminierung, wenn sie aus Alt-Bewerbungen lernt
  4. Fehlende Aufklärung der Mitarbeitenden – die eigene Belegschaft wird nicht eingebunden

Besonders heikel wird es, wenn KI mitverantwortlich für Kündigungen oder Beförderungen wird – und niemand sagen kann, warum.

Was jetzt gebraucht wird

Das Problem ist weniger die Technologie – sondern wie sie eingeführt wird. Viele Personalabteilungen sind unterbesetzt, überfordert oder abhängig von Standardlösungen. Was fehlt, sind:

  • Klare ethische Leitlinien für den Einsatz
  • Echte Transparenz gegenüber Bewerberinnen und Bewerbern
  • Kontrollinstanzen im Unternehmen
  • Weiterbildung in Datenverständnis – auch für HR

Wer mit KI arbeitet, sollte wissen, wie KI denkt – oder es wenigstens einordnen können.

Jenseits der Technik: Machtfragen

KI im HR ist nicht nur eine technische Frage – sondern eine politische. Wer entscheidet, wie Arbeit bewertet wird? Was zählt: Abschlüsse, Erfahrungen, Soft Skills, Loyalität? Und wer bestimmt die Parameter? HR-Software wird zum Gatekeeper – oft im Verborgenen.

Die Folge: Menschen, die perfekt ins Unternehmen passen würden, fliegen durchs Raster. Oder werden nie eingeladen, weil ihre Daten von der Norm abweichen.

Fazit: Zukunft ja – aber mit Verantwortung

Künstliche Intelligenz kann Personalprozesse fairer, schneller und zielgerichteter machen. Aber nur, wenn Transparenz, Fairness und Menschlichkeit mitgedacht werden. Die neue EU-Verordnung ist ein Schritt in die richtige Richtung – doch ohne gesellschaftliches Bewusstsein bleibt sie ein Papiertiger.

Frage an dich: Wem nützt diese KI – und wer fällt durchs Raster?

Quelle: MEEON #31
Titel: KI im Personalwesen: Wer kontrolliert den Algorithmus?
Bilder: Firmbee.com auf Unsplash.com